Nikolai Pauli im Interview: IPA hat uns positiv verändert

Nikolai Pauli ist Geschäftsführer der Klett Liegenschaften Verwaltungsgesellschaft mbH und verantwortlich für das Bauvorhaben „Transformation des Klett Areals“ in Stuttgart.

Im Interview berichtet er über die Motivation, das Großprojekt im IPA-Verfahren mit Mehrparteienvertrag durchzuführen, die Höhen und Tiefen des bisherigen Projektverlaufs und warum sich die Klett Gruppe für Gottlob Rommel entschied.

Die integrierte Projektabwicklung (IPA) ist ein vergleichsweise neues Handlungsmodell, kannten Sie diese Verfahrensweise bereits oder ist dies Ihr erstes Projekt nach IPA?

„Wir sind eigentlich erst mitten in der Planung des Bauvorhabens auf IPA gekommen. Als wir mit dem Projekt begannen, war uns klar, dass wir bei diesem Bauprojekt unbedingt Terminverzögerungen, galoppierende Kosten oder auch Auseinandersetzungen mit den Baupartnern vermeiden wollten – ich weiß wovon ich spreche, ich habe viele Jahre als Bauleiter gearbeitet. Deshalb war es uns wichtig, auf partnerschaftliche Weise dieses Projekt umzusetzen und alle Beteiligten möglichst früh einzubinden. Unser Statiker machte uns dann darauf aufmerksam, dass es so ein Verfahren im Bausektor bereits gibt - so hatte das Kind einen Namen: „IPA mit Mehrparteienvertrag.“

Welche Elemente der IPA waren dabei für Sie am wichtigsten und nach welchen Auswahlkriterien erfolgte die Auftragsvergabe?

„Bei IPA setzen sich alle Projekt-Beteiligten von Anfang an einen Tisch und sehen den Erfolg des Projekts als gemeinsame Mission. Da wir bei diesem Großprojekt sehr eng und lange zusammenarbeiten, sollten unsere Dienstleister handverlesen sein: Wir wollten genau wissen, was das für Menschen sind, die uns in diesem Projekt oftmals täglich begegnen werden. Und: Nicht der Billigste sollte den Zuschlag bekommen, sondern der für uns beste Leistungspartner. Deshalb entschieden wir uns gegen eine reine Leistungsausschreibung und gewichteten den Preis nur mit 20 Prozent für die Auftragsvergabe. Weitere Vergabekriterien waren die Referenzen mit 40 Prozent und der persönliche Eindruck der Projektteams auch mit 40 Prozent.“

Wie identifizierten Sie die in Frage kommenden Baupartner, die überhaupt offen für die IPA sind und wie erfolgte dann die Entscheidungsfindung?

„Wichtig war uns, dass es Bauunternehmen sind, die eine mittelständische Unternehmenskultur besitzen - im besten Fall Familienunternehmen wie wir - und eine hohe Eigenleistungskompetenz besitzen. So recherchierten wir ganz klassisch, schauten uns Websites an, fragten nach Empfehlungen und prüften Referenzen. Wir hatten acht Unternehmen herausgesucht und zu Vorgesprächen auf das Areal eingeladen. Vier davon kamen dann in die engere Wahl und wurden zu ganztägigen Assessmentcentern eingeladen, in denen die Teamfähigkeit und die Bereitschaft der Teams geprüft wurde, unseren Projektwillen zu teilen. Denn IPA erfordert eine große Veränderungsbereitschaft jedes Einzelnen. Auf Basis der Gesamtergebnisse fällten wir unsere Entscheidung.“

Die Gottlob-Rommel-Gruppe erhielt den Zuschlag für die Leistungspakete Rohbau, Gebäudehülle, Außenanlagen und Elektrotechnik – was gab den Ausschlag für unser Unternehmen?

„Schlussendlich war es ein Kopf-an-Kopf-Rennen der letzten vier Bewerber. Das Rommel-Team hat uns sowohl durch sein Mindset als auch durch die Persönlichkeit der Projektbeteiligten überzeugt. Die Rommel-Leute wissen, was sie tun und was sie können, die Mitarbeitenden werden in die Entscheidungen eingebunden, es ist ein gutes Miteinander im Unternehmen mit kooperativer Führung. Zudem ist das Unternehmen regional tätig, besitzt eine hohe Eigenleistungskompetenz und auch bei der Unternehmenskultur passen wir gut zusammen.“

Sie schreiben auf der Klett-Website, dass „bei der Neugestaltung des Klett-Geländes der Fokus auf ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit liegt“. Gottlob Rommel ist aktiv im Bereich nachhaltiger Bauverfahren wie dem Holzhybridbau oder dem Einsatz von CO2 reduziertem Beton und ist EMAS zertifiziert. War dieses Engagement ein weiteres, positives Auswahlkriterium?

„Das Engagement für den Klimaschutz, Innovationsfreude und Offenheit für neue Verfahren sind für uns Projektkriterien, waren aber keine gesetzten Auswahlkriterien. Wir sind allerdings sicher, dass wir uns alle einig sind, so klimafreundlich wie möglich zu bauen. “ 

 

Mitte Juli 2024 wurde der Mehrparteienvertrag unterschrieben. Im Rückblick, was war für Sie als Bauprofi die interessanteste Erfahrung auf dem langen Weg zu diesem Meilenstein?

„Ein Projekt nach IPA aufzusetzen war eine Erfahrung, die - und ich denke, ich kann für das gesamte Projektteam sprechen - uns alle positiv verändert hat. Wir haben gelernt, dass jeder in seinem Gewerk verstanden werden möchte und dass nur eine kollaborative Haltung, also ein Verständnis für den anderen, zum Gelingen des Projekts führt. In den letzten Monaten verinnerlichten wir die Vorteile eines gemeinsamen Handelns und entwickelten uns persönlich weiter. Eine sehr gute Erfahrung war auch, dass wir Sachthemen bereits sehr früh bearbeitet haben. Aufgrund der guten Beziehungsebene funktionierte dies gut - ohne die bei Bauprojekten oft übliche Fingerhakelei. Jetzt fühle ich mich wirklich gestärkt durch den Zusammenhalt des Teams. Ich denke, diese Solidarität beflügelt und motiviert uns alle. Kurz zusammengefasst: Wir arbeiten alle begeistert im und für das Projekt – eine großartige Erfahrung!“

Nun ein weiterer Blick zurück: Was waren in den letzten Monaten ihre dunkelsten Stunden, gab es Momente, in denen sie sich gewünscht haben, das Bauprojekt konventionell aufzusetzen, Ausschreibungen zu machen und dann auf einer sicheren Routinebasis zu arbeiten?

„Ja, die gab es! Wer Neuland betritt, muss mit Schwierigkeiten und Herausforderungen rechnen. Bei uns war es der Moment der Validierungsphase. IPA verlangt, dass ab einem gewissen Projektstand überprüft werden muss, ob sich das geplante Bauvorhaben auch preislich abbilden lässt. Das hat es natürlich nicht, wir haben deutlich überzogen, ein Schockmoment! Aber wir hatten den Rückhalt sowie das Vertrauen der Geschäftsführung. So sorgten wir erst einmal für mehr Zeit in dem Prozess, setzten uns zusammen und arbeiteten daran, wie wir die Kosten gemeinsam in den Griff bekommen. Dies gelang uns ohne Auseinandersetzungen, dank der bereits oben angesprochenen sehr guten persönlichen Ebene. So konnten wir das Bauvorhaben zur Zufriedenheit aller budgetieren, daraus resultierte dann der Mehrparteienvertrag.“

Aufgrund ihrer Erfahrungen, welchen Rat würden Sie Bauherren geben, die ein Großprojekt im IPA-Verfahren mit Mehrparteienvertrag abwickeln möchten?

„Am wichtigsten ist, dass sich die Bauherren bewusst sind, dass sie als einziges Element nicht austauschbar sind. Wer also den IPA-Weg gehen möchte, muss den Mut haben, sich selbst zu entwickeln. Er sollte vorab prüfen, ob er, beziehungsweise sein Unternehmen und die Verantwortlichen, zu einem kollaborativen Handlungsmodell fähig sind. Das ist die Grundbedingung. Des Weiteren würde ich jedem raten, sich einen guten Mediator zu suchen, denn ohne diesen geht es nicht! Und: Das Projektteam muss den Rückhalt und das Vertrauen der Unternehmensführung, beziehungsweise des Vorstands genießen. Das war für mich sehr wichtig.“

In 2027 ist die geplante Fertigstellung des Bauprojekts – wir freuen uns schon jetzt auf Ihr Resümee und werden berichten! Herzlichen Dank für das Gespräch.

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